Praxistest Jaguar XE: Wie gut ist der Briten-3er?

Die Konkurrenz ist zahlreich und mächtig, der Anspruch groß. Mit der zweiten Generation des XE will Jaguar endlich gegen 3er BMW, Audi A4 und Mercedes C-Klasse punkten. Hat der Brite eine Chance gegen die Creme de la Creme der deutschen Premiumklasse? Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat den XE D180 im täglichen Betrieb getestet.

Das Auge kauft mit. Und so wird das Design beim Kampf um Auto-Kunden immer wichtiger. Dass die Engländer schicke fahrbare Untersätze bauen können, haben sie mit dem Jaguar F-Type ja hinlänglich bewiesen. Es muss aber nicht immer ein Sportwagen sein. Mit einer Limousine wie dem XE kann man sich schon auch sehen lassen, wie der eine oder andere bewundernde Blick der Nachbarschaft verrät.

Allerdings besteht erhöhter Erklärungsbedarf. "Aha, das ist also ein Jaguar", heißt es. Kein Wunder, denn nach wie vor zählt der XE in Deutschland eher zu den Exoten. Seit dem Marktstart der ersten Generation anno 2015 wurden (Stand Ende 2019) gerade mal 8.000 Autos verkauft.

An der Optik kann es jedenfalls nicht liegen. Im Vergleich zur ohnehin schon flotten Erstausgabe hat sich der neue Jaguar XE sogar noch gesteigert. Der stramme Kerl von der Insel hat ausdrucksstärkere Schürzen bekommen, die LED-Frontscheinwerfer blinzeln schmal wie die Augen einer müden, aber wachsamen Katze. Knackig, sportlich und trotzdem fein und elegant. Da kann man sich im Rudel von BMW, Audi und Mercedes schon blicken lassen.

Im Innenleben hat sich noch mehr getan. Bildschirme, wohin das Auge blickt. Alles digital – von Tacho und Drehzahlmesser über das große und im Armaturenbrett integrierte Infotainment-Display bis hin zur Klimaanlage und dem drahtlosen Aufladefach für das Handy. Ein Sonderlob gilt der ausnahmslos bedienungsfreundlichen Nutzeroberfläche. Man findet sich beim Wischen und Drücken auf dem Bildschirm sofort zurecht. Das Menü ist klar und logisch strukturiert.

Für optisches Wohlbefinden sorgen im XE feinste Materialien. Leder, Chrom, Klavierlack – hier rangieren die Briten auf Augenhöhe mit Benz & Co. Einzigartig ist das Spangen-Design des Armaturenbretts, das ganz elegant und wie eine Klammer in den Seitentüren ausläuft. Das man sich wohl beim Yachtbau abgeschaut. Schlecht ist die Sicht wegen der mächtig und breit geratenen B-Säule. Beim Abbiegen empfiehlt es sich daher, den Kopf lieber einmal mehr zu verrenken, um nicht etwa Radfahrer oder andere Autos zu übersehen. Und auch der Rückspiegel zeigt nur ein Bild vom Format einer Schießscharte, weil das Heckfenster relativ klein ausgefallen ist. Hier empfiehlt sich die Investition in einen besonderen Rückspiegel. Zusammen mit einer eigenen Heckkamera zeigt er das deutlich übersichtlichere Verkehrsgeschehen auf dem Bildschirm.

Bescheiden ist auch das Platzangebot im Fahrgastraum. Vorne geht es noch, obwohl die Beinfreiheit schon grenzwertig ist. Beim schwungvollen Einsteigen handelt man sich gerne mal einen stattlichen blauen Fleck am Bein ein. Hinten hingegen kann man von Einsteigen nicht sprechen. Das ist mehr ein Ein- und Ausrollen, zumindest für einen erwachsenen Körper. Dafür sitzt man einigermaßen gut, lange Strecken sind jedoch nicht ratsam.

Satte Pluspunkte sammelt der Jaguar XE hingegen beim Fahren. Schon mit dem kleinsten angebotenen Motor, dem 180 PS starken Diesel, und Vierradantrieb fühlt man sich wie der König der Landstraße. Der Jaguar hängt sofort am Gas, auch schon im Normalmodus. Unterwegs in Ortschaften oder Tempo-30-Zonen muss man sich schon konzentrieren, um dosiert zu beschleunigen. Das schnelle Ansprechen ist natürlich Programm. In Sachen Dynamik wollen die Engländer zumindest mit-, wenn nicht sogar vorneweg fahren. Und das gelingt auch mit einer exakten, feinfühligen Lenkung und einem genau austarierten Fahrwerk, nicht zu hart, nicht zu weich. Die 8,4 Sekunden, die der Selbstzünder dabei auf dem Papier von 0 auf Tempo 100 braucht, sind zwar nicht unbedingt berühmt, gefühlt reicht die Power jedoch, vor allem im Stadt- und Landverkehr. Auf der Autobahn und bei hohen Drehzahlen sind diesem Aggregat dann Grenzen gesetzt.

Was den Grundpreis anbetrifft, befindet sich der Jaguar in bester Gesellschaft. Die 43.690 Euro für den 180-PS-Diesel mit Automatik und Hinterradantrieb entsprechen in etwa dem, was die Konkurrenz von BMW, Mercedes und Audi verlangt. Beim Verbrauch schwimmt die Limousine im Mittelfeld. 7,7 Liter zeigte das Display nach rund 800 Kilometern Fahrt.

Das mid-Fazit: Als flotte Fahrmaschine kann der Jaguar im Konkurrenzfeld mithalten. Ebenfalls Premium sind Verarbeitung und Materialien sowie das digitale Innenleben. Nur beim Platzangebot verlieren die Briten deutlich. Normalerweise könnte man jetzt zum Kombi raten. Aber den gibt es nicht mehr beim XE. Leider.

Rudolf Bögel / mid

Technische Daten Jaguar XE D180 AWD S:

– Länge / Breite / Höhe: 4,68 / 2,08 / 1,42 Meter

– Motor: 2,0 Liter-Diesel

– Hubraum: 1.999 ccm

– Leistung: 132 kW/180 PS bei 4.000 U/min

– max. Drehmoment: 430 Nm bei 1.750 – 2.500 U/min

– 8-Gang-Automatik, Allradantrieb

– 0-100 km/h: 8,4 Sekunden

– Spitze: 222 km/h

– Normverbrauch (NEFZ): 5,4 l/100 km

– CO2-Emission: 138 g/km

– Preis: ab 43.690 Euro (mit Allrad: 45.940 Euro)

Fotocredits: Jaguar Land Rover, mid
Quelle: GLP mid

(dpa)