Berlin – Blau, gelb und grün: Für Bahnkunden in Deutschland wird das Zugangebot immer bunter. Auf vielen Regionalstrecken fahren nicht mehr die roten Züge der Deutschen Bahn, sondern die Konkurrenz des deutschen Staatskonzerns.
Die Wettbewerber leisten heute 35 Prozent des Angebots, für 2024 rechnen sie mit 45 Prozent, wie aus einem Bericht hervorgeht, den die Verbände
Mofair und Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) am Dienstag vorlegen wollten. Sie stützen sich dabei auf entsprechende Vergabeentscheidungen.
Mehr Wettbewerb auf der Schiene – und damit auch günstigere Fahrpreise – das war eines der Ziele der Bahnreform 1994. Sie machte aus der Bundesbehörde eine privatwirtschaftliches Unternehmen im Staatsbesitz. Im Güterverkehr hält die Deutsche Bahn noch knapp die Hälfte des Geschäfts. Im Fernverkehr aber kommen die Kunden an den weißen ICE und Intercitys des Konzerns kaum vorbei.
Nach Zahlen der Bundesnetzagentur sind mehr als 300 Eisenbahnbetreiber auf dem deutschen Netz unterwegs.
«Im internationalen Vergleich zählt der deutsche Eisenbahnmarkt damit zu den nationalen Eisenbahnmärkten mit der höchsten Anzahl von Wettbewerbern», heißt es in der jüngsten Marktuntersuchung der Aufsichtsbehörde.
Mit der Bahn-Tochter DB Regio konkurrieren kommunale und landeseigene Bahnen, Töchter ausländischer Staatsbahnen und Privatbahnen. Die Nummer Zwei in Deutschland ist die deutsche Tochter des französischen Trandev-Konzerns, die etwa die Nordwestbahn und die Bayerische Oberlandbahn betreibt. Es folgen Ableger der Staatsbahnen Italiens und der Niederlande, Netinera und Abellio.
Die Rivalen hatten zunächst kleinere Ausschreibungen mit Nebenstrecken gewonnen, deshalb ist ihre Auslastung noch geringer als die der Deutschen Bahn. Jeden vierten Kilometer fahren die Kunden heute mit der Konkurrenz, wie aus dem «Wettbewerber-Report Eisenbahnen 2019/20» von Mofair und NEE hervorgeht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Eine steigende Auslastung wird erwartet.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte die Bahn erst kürzlich unter Druck gesetzt: Bis Mitte November soll sie unter anderem erklären, wie sie wieder mehr Ausschreibungen gewinnen will. Der Regionalverkehr wird von Organisationen der Ländern und Kommunen ausgeschrieben, bestellt und finanziert.
Im Fernverkehr fährt die Bahn dagegen auf eigene Rechnung.
Bis auf vereinzelte Züge der Flixbus-Schwestermarke Flixtrain haben die ICE und Intercity keine Konkurrenz. Investitionskosten und Risiken sind hoch – Planungssicherheit wie im Regionalverkehr mit seinen langjährigen Verkehrsverträgen: Fehlanzeige. Daher scheiterten die bisherigen Angreifer an der Übermacht des Staatskonzerns. Erst am Montag stampfte das Unternehmen Rheinjet seinen Plan für einen Zug zwischen Frankfurt und Stuttgart über München ein.
Immer wieder wird gefordert, Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn zu trennen, um den Wettbewerb zu fördern – nicht zuletzt vom Bundesrechnungshof. Der Staatskonzern ist zwar verpflichtet, sein Netz jedem Konkurrenten diskriminierungsfrei zu öffnen. Konkurrenten bemängeln aber immer wieder, konzerneigene Anbieter hätten Vorteile gegenüber Konkurrenten.
Diese fordern etwa, dass der Bund auf seine geplante jährliche Kapitalspritze für die Bahn verzichtet – damit der Konzern sich damit nicht beispielsweise neue Züge kaufen kann. Der Bund solle das Geld stattdessen in einen Fonds für das Schienennetz einbringen – so dass es allen zugute komme.
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(dpa)