Rüsselsheim – Heute ein König. Nein, das ist diesmal keine Frage des Getränks, sondern des Autos. Denn wer heute in einen Opel Kapitän von 1952 steigt, der fühlt sich tatsächlich hochherrschaftlich und erhaben.
Auf den weichen Sesseln sitzen die Passagiere viel höher als in einem aktuellen Auto und blicken erst über die wundervoll verzierten Armaturen mit den goldenen Ziffernblättern und dann über die endlos lange Motorhaube. Dann fühlt man sich tatsächlich so groß und mächtig wie der Kapitän am Steuer seines Ozeandampfers, der dem großen Opel seinen Namen gegeben hat.
Unverwüstlicher Sechszylinder
Allerdings braucht man starke Arme, um am spindeldürren Lenkrad mühsam den Kurs vorzugeben. Der butterweich gefederte Straßenkreuzer wankt dann durch enge Kurven wie ein betrunkener Matrose über die Reeperbahn. Und nach heutigen Maßstäben sind die Bremsen ein besserer Scherz. Dafür jedoch ist der unverwüstliche Sechszylinder, der im riesigen Motorraum so verloren wirkt wie eine Nussschale auf dem Ozean, munter wie am ersten Tag. Denn obwohl man viel Anlauf und Rückenwind braucht, bis der Wagen tatsächlich auf 125 km/h Spitze kommt, hat er mit 43 kW/58 PS und 147 Nm noch immer genug Luft für eine launige Landpartie.
Sorgen um Pannen und Probleme muss man sich dabei kaum machen, heißt es in einschlägigen Internetforen und den Kaufberatungen der Fachmagazine: Zwar kosten gut erhaltene Originale aus jener Zeit mittlerweile zwischen 20.000 und 30.000 Euro, sagt Jens Cooper aus der Opel-Klassikwerkstatt, doch ist ein gepflegte Kapitän dafür auch absolut seetüchtig.
Das Flaggschiff der Marke Opel
Der Kapitän war laut Klassik-Sprecher Uwe Mertin nicht nur 42 Jahre lang das Flaggschiff der Marke. Sondern er lief damit auch länger als die allermeisten anderen Opel-Modelle.
Seine Karriere beginnt 1938: Ein Jahr, nachdem Opel mit dem Admiral in die Oberklasse vorgestoßen ist, soll der Kapitän die Lücke zum bürgerlichen Kadett schließen. Nach nur neun Monaten muss Opel die Produktion wegen des Krieges einstellen, schickt aber noch 25.000 Kapitäne auf große Fahrt.
Und die Technik überdauert: Als die Hessen zehn Jahre später wieder einen Kapitän auf den Markt bringen, gleicht der bis auf wenige Details noch immer dem Ur-Modell, sagt Mertin. Das gilt für die sehr amerikanische und deshalb chromlastige Firmensprache genauso wie für die Technik und für den weiterhin verbauten Sechszylinder.
1970 geht die Karriere zu Ende
In den 1960er Jahren gehört das Rüsselsheimer Topmodell zu den meistverkauften Sechszylinderwagen Deutschlands und lässt sogar Mercedes hinter sich. Als 1964 mal wieder ein neuer Kapitän ansteht, kommt er gleich im Dreierpack mit einem Admiral und einem Diplomat und läuft weitere sechs Jahre. 1970 geht die Karriere dann nach 42 Jahren und knapp 500.000 Exemplaren zu Ende.
Diplomat und Admiral laufen zwar noch etwas weiter. Doch 1977 verabschiedet sich Opel vollends aus der Oberklasse. Die Flaggschiffe sind dann nicht nur eine Liga tiefer angesiedelt, sondern wechseln auch schneller ihre Namen. Erst Senator, dann zwei Generationen Omega, und seit 2008 steht der Insignia an der Spitze. Zwar ist der mittlerweile auch in der zweiten Generation – doch bis er sein Kapitänspatent bekommt, muss er noch ein paar Jahrzehnte durchhalten.
Fotocredits: Walter Tillmann,Opel,Walter Tillmann,Walter Tillmann,Walter Tillmann,Walter Tillmann,Walter Tillmann
(dpa/tmn)