Magdeburg – Mit lauter Lieblingsmusik zur Arbeit radeln, SMS beim Weg durch die Fußgängerzone beantworten oder bei der Autofahrt die Familie anrufen: Unsere Handys mögen uns in vielen Situationen helfen – sie sind aber auch ein unterschätztes Risiko im Straßenverkehr.
Darin sind sich die Innenminister und auch die Verkehrsexperten der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster einig. Mit einem bundesweiten Aktionstag am 20. September wollen sie auf die Risiken von Handys und weiteren Ablenkungen aufmerksam machen: mit Kontrollen, aber auch Infoständen, Parcours und Fahrsimulatoren. 11.000 Polizisten sind dafür ab 6.00 Uhr morgens im Einsatz. Fünf Dinge, die wir über Ablenkung wissen sollten:
1. Ablenkung ist eine der Hauptunfallursachen:
Ablenkung am Steuer wird als Unfallrisiko chronisch unterschätzt, sagt Heinz Albert Stumpen von der Hochschule der Polizei in Münster. Wie oft fehlende Aufmerksamkeit in Deutschland eine Rolle spielt, lässt sich aus den Statistiken nicht ablesen – anders als überhöhte Geschwindigkeit oder Alkohol wird es nicht erfasst. Andere europäische Länder weisen es aus: In Österreich spiele Ablenkung etwa bei jedem dritten tödlichen Unfall eine Rolle, sagt Stumpen. Internationale Studien zeigten, dass mehr als die Hälfte der Unfälle damit in Zusammenhang stehen.
2. Handytippen ist so gefährlich wie betrunken zu fahren:
Besonders gefährlich sind die digitalen Helfer am Steuer. «Elektronische Geräte wie Navigationssysteme oder Handys während der Fahrt bedienen, ist das Gefährlichste, was man am Steuer machen kann», sagt Stumpen. Das Risiko, einen Unfall zu bauen, steige um das Vierfache. Eine Nachricht beim Fahren zu lesen oder zu tippen, sei so gefährlich wie mit 0,8 bis 1,0 Promille Alkohol zu fahren. Der Grund: Man fährt beim Blick aufs Handy im sogenannten Blindflug. Bei Stadtfahrten mit Tempo 50 bedeutet eine Sekunde auf das Handy gucken schon 14 Meter Weg blind zurücklegen. Außerorts mit Tempo 130 sind es 36 Meter – jede Sekunde. Gefahren werden später oder zu spät erkannt, die Reaktion ist verzögert.
3. Autofahrer sind keine Kinderbetreuer:
Nicht nur das Mobiltelefon ist ein unterschätzter Ablenker. Lkw-Fahrer etwa lesen Zeitung, kochen Kaffee oder gucken Filme, während sie auf den Fernstraßen unterwegs sind. «Was man da so tagtäglich auf den Landstraßen und Autobahnen erlebt, ist der Wahnsinn», sagt Nadine Raabe-Goldermann aus dem Innenministerium Sachsen-Anhalt. Doch während dieses Risiko auf der Hand liegt, werden andere Gefahren vergessen. Eltern wollen, dass ihre Kinder in Sicherheit sind – aber auch, dass sie auf der Fahrt nicht unzufrieden mitfahren. Fällt der Teddy oder der Nuckel in den Fußraum oder rufen sie nach Essen oder Trinken, sollten Eltern darauf verzichten, bei laufender Fahrt vom Fahrersitz einzugreifen.
4. Nicht nur am Steuer ist Ablenkung gefährlich:
Stumpen von der Hochschule der Polizei spricht auch die «Smombies» an: Menschen, die scheinbar mit ihrem Smartphone verwachsen mit gesenktem Blick durch Innenstädte und U-Bahnhöfe laufen oder sich mit lauter Musik über Kopfhörer beschallen. «Immer wieder gibt es betrübliche und dramatische Vorgänge, wo Menschen mit Musik in den Ohren und Blick aufs Handy vor die Straßenbahn laufen.» Raabe-Goldermann mahnt, jeder glaube immer, er habe das Geschehen dennoch im Blick, vergesse aber, dass andere Verkehrsteilnehmer genauso nachlässig unterwegs seien. «Man muss immer auch mit der Ablenkung der anderen rechnen», sagt sie.
5. Verstöße werden verstärkt kontrolliert – und sind teuer:
Seit Herbst vorigen Jahres müssen Handysünder am Steuer deutlich mehr Bußgeld berappen: Statt 60 Euro und einem Punkt belasten 100 Euro und ein Punkt die Geldbörse und das Verkehrskonto in Flensburg. Auch Radfahrer sind nicht von Strafe frei: Sie müssen statt 25 Euro inzwischen 55 Euro hinblättern. Allerdings wird die Strafe nur fällig, wenn die Polizei auch aktiv Verstöße kontrolliert und ahndet. Zumindest in Sachsen-Anhalt ist das der Fall: Wurden im Jahr 2015 noch knapp 5200 Fälle sanktioniert, waren es voriges Jahr bereits 6000. Tendenz steigend: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es schon fast 4300. Die Verstöße erfasst jedes Land separat.
Fotocredits: Sebastian Gollnow
(dpa)