Karlsruhe – Zu scharf gebremst, Kupplung nicht getreten, Motor abgewürgt: Dominik Didwissus schwitzt nach seinen Runden auf dem Verkehrsübungsplatz der Karlsruher Verkehrswacht in der Sommerhitze. «Das war gut, aber schwierig wegen der Aufregung», sagt er.
Vater Steffen ermutig seinen 17-jährigen Sohn, mit dem alten Familienkombi erste Erfahrungen zu machen. «Zur Beruhigung habe ich immer die Handbremse in der Hand.» In der Fahrschule zu Hause im pfälzischen Annweiler gab es bisher nur Theorie. Die Vorstellung, mit weniger Fahrstunden davonzukommen, hegt Dominik allerdings nicht. «Einfach, um zu wissen, wie es geht», sei der Übungsplatz aber gut.
Manuela Wenglorz hat von ihrem Schreibtisch aus freien Blick auf das kleine Gelände mit Kreuzung, Berg und Rückwärtsfahrparcours. Manchmal traut die Geschäftsführerin der
Verkehrswacht ihren Augen kaum. So sei eine junge Frau beim Anfahren am Hügel schnurstracks auf die Leitplanke gerutscht. Der ADAC habe Mühe gehabt, den Wagen zu befreien.
«Mancher ist nur mit Schaltgetriebe und Pedalen beschäftigt und guckt gar nicht mehr», sagt sie. «Ich könnte ein Buch schreiben.» Über Streit und Ehedramen, Erfolgserlebnisse und coole Typen. Einmal habe ein Mann ganz entspannt gesagt, nachdem seine Frau den teuren Wagen ziemlich demoliert hatte: «Willst du nicht gleich noch eine Runde versuchen?» Ein anderer Begleiter habe dagegen die Fünferkarte schon nach den ersten Bemühungen seiner Frau wutentbrannt in kleinste Fetzen gerissen. «Oft ist es lustig, aber manchmal zittern wir auch.»
Rund 15.000 Mal im Jahr kommen Fahranfänger mit ihren Begleitern auf den Karlsruher Platz. Neben jungen Leuten ab 16 Jahren, die mit der Fahrschule begonnen haben oder sich auf die Prüfung vorbereiten wollen, sind es nach Wenglorz‘ Erfahrung oft Menschen, die seit Jahren nicht mehr am Steuer gesessen haben. Etwa eine Ehefrau, die ran muss, weil ihr Mann, der sonst das Lenkrad nicht aus der Hand gegeben hat, krank geworden ist und nicht mehr fahren kann.
Fahrlehrer sehen die Sache nicht nur positiv. Besser wäre es, die Ausbildung den Profis zu überlassen, sagt der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Dieter Quintus. «Der Berufsstand vertritt die Auffassung, dass die Fahranfängerausbildung niemand besser kann als ein Fahrlehrer.»
Fahrschülern, die bereits fahren können, müssten oft schlechte Manieren am Steuer mühsam wieder abgewöhnt werden. Das Fahren mit Eltern oder Freunden auf einem Übungsplatz könne auch belastend für die Ausbildung sein, ist Quintus überzeugt. «Man spart im Endeffekt nichts. Was ein Fahrlehrer in einer Stunde leistet, kann ein Laie nicht schaffen.»
Anders sieht Quintus als Vertreter von rund 14.000 Fahrlehrern in Deutschland die Sache bei älteren Führerscheininhabern, die lange aus der Übung sind. Für sie seien angeleitete Kurse besonders geeignet. «Das halten wir für sehr sinnvoll.»
Der ADAC, der selbst 22 Verkehrsübungsplätze betreibt, ist sicher, dass Fahrlehrer Fehlverhalten, wie ständig den Fuß auf der Kupplung oder die Hand auf dem Schalthebel zu lassen, leicht korrigieren können. Dafür könnten die Anfänger zum Beispiel die «Kupplungswaage» beim Anfahren oder Rückwärtsfahren üben. Das sei im Schonraum des Verkehrsübungsplatzes besser möglich als unter Stress im Realverkehr. «Der Fahrlehrer schont Material und Nerven», sagt ADAC-Sprecherin Melanie Mikulla. «Tatsächlich ist es eine Win-Win-Situation.»
Auf dem Karlsruher Platz direkt am Rhein hat sich der 17-Jährige Jannis Ochs aus Eschborn bei Frankfurt mit Vater Martin und Bruder Moritz nach seinen Runden in der Hitze zwischendurch in den Schatten zurückgezogen. Im VW-Bus steht vor allem Anfahren auf dem Übungsprogramm. «Es ging ganz gut, aber man merkt, dass es die Jungs stresst», sagt der 50 Jahre alte Vater. Den weiten Weg nach Karlsruhe hätten die drei sich eigentlich gerne erspart. Aber der Übungsplatz in Frankfurt sei leider geschlossen worden, bedauert er.
Ihm sei klar, dass seine Jungs bei den Runden auf dem Platz schnell auch Verhaltensweisen aufnehmen könnten, die Fahrlehrer nicht wollen. «Ich werde einen Teufel tun, mich als Oberfahrlehrer aufzuspielen», sagt Martin Ochs daher.
Wer einen der mehr als 80 Verkehrsübungsplätze in Deutschland ansteuert, muss zwar kaum Angst vor schweren Unfällen haben, aber doch mit der Möglichkeit von Blechschäden rechnen. Wenglorz sieht manchen Anfänger mit heulendem Motor über Verkehrsinseln hoppeln. Der eine oder andere Baum hat schon den Schwung von Autos gestoppt und sogar die Treppe zum Büro diente schon als Prellbock.
Aus Sicherheitsgründen darf kein Fußgänger auf der Anlage unterwegs sein, und die Treppe schützt jetzt eine Leitplanke vor Wiederholung. Wenn es doch kracht: Es gelten die normalen Haftungsregeln. «Die Polizei kommt übrigens nicht», sagt die Chefin des Platzes. Denn der ist Privatgelände. Nur deswegen dürfen Frauen und Männer hier ohne Führerschein überhaupt hinter das Steuer.
Fotocredits: Uli Deck,Uli Deck,Uli Deck,Uli Deck,Uli Deck
(dpa)