Der Druck auf die Zulieferer steigt

"Wir zielen auf den Punkt, an dem sich jeder fragen muss, warum er einen Verbrennen haben will. Denn wir glauben nicht, dass es eine Alternative zur E-Mobilität gibt", verriet erst jüngst im Rahmen der Los Angeles Auto Show Jürgen Stackmann, Vorstand für Vertrieb, Marketing und After Sales der Marke Volkswagen. Die Mobilität befindet sich, wie sollte es bei diesem Begriff auch anders sein, stetig in Bewegung. Doch anders als noch bis vor wenigen Jahren ist die Bewegung nicht nur vorwärts, sondern in alle Richtungen gerichtet. Aus der Bewegung ist ein regelrechter Wandel geworden. Die Automobilindustrie befindet sich an einem großen Scheideweg zwischen der konservativen Verbrennungsmotor-Technologie und dem Elektroantrieb-Zeitalter. Es erinnert mit umgekehrten Vorzeichen schon fast an die Jahre um 1900, in denen allein in den USA 34.000 Elektrofahrzeuge fuhren. 565 Marken von Elektroautos waren zwischen 1896 und 1939 weltweit registriert.

Auch damals waren vom Wandel hin zur Verbrennungstechnologie nicht nur die Hersteller solcher Fahrzeuge direkt betroffen, sondern auch zahllose Zulieferer. Dass dies heutzutage nicht anders ist, wurde zuletzt auf dem zweiten Diesel-Gipfel in Berlin offen diskutiert. "Zulieferer müssen sich mit Hochdruck mit dem Wandel befassen, der auf sie zukommt", warnt Felix Mogge, Partner bei Roland Berger. "Im Moment läuft ihr Geschäft noch gut und diese positive Entwicklung sollten sie jetzt nutzen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten." Immerhin konnten die Automobilzulieferer in diesem Jahr ihren Umsatz gegenüber 2016 um drei Prozent steigern.

"Die derzeit noch positive Marktlage spiegelt sich in Unternehmensbewertungen wieder, die in der Zulieferbranche aktuell immer noch über dem historischen Durchschnitt liegen", sagt Christof Söndermann, Direktor bei Lazard. "Allerdings sorgt der sich durch die Megatrends abzeichnende Wandel bereits für erhebliche Unsicherheit in nahezu allen Bereichen der Zuliefererindustrie." Das große, vor allem finanzielle und somit auch existenzbedrohende Problem besteht für die Zulieferer darin, dass sie aktuell gezwungen sind, in alte und in neue Technologien zu investieren. "Das ist für die meisten Zulieferer ein erheblicher finanzieller Kraftakt mit offenem Ausgang. Denn zeitgleich sinken die Margen vieler Produkte. Andererseits bietet etwa die voranschreitende Digitalisierung auch neue Geschäftschancen", offenbart Felix Mogge die Zwickmühle, in der sich die Betriebe befinden. Hinzu kommt die Vorhersage der Experten von Roland Berger und Lazard, "dass der prozentuale Anteil von E-Autos an den Neuzulassungen in Europa bis 2025 etwa ein Drittel betragen wird. In China könnten es sogar bis zu 47 Prozent werden." Dieser Trend ist also klar.

Doch die Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist nicht der einzige Trend, dem sich die Automobilindustrie und ihre Zulieferfirmen gegenübersehen. Ein großes Thema ist aktuell das autonome Fahren. Ob in 10, 15 oder 20 Jahren – die Zeit der selbstfahrenden Automobile in oder zwischen den großen Städten wird kommen. Und wer mal einen Blick auf die Länge eines Modellzyklus wirft – nach drei Jahren folgt heutzutage oft schon das erste Update bzw. Facelift, nach sechs bis acht Jahren die nächste Generation – der wird schnell merken, dass die Zukunft näher ist, als sie scheint. Die Experten gehen sogar so weit zu sagen, "dass Fahrzeuge in den oberen Autonomiestufen einen substanziellen Marktanteil erreichen werden – möglicherweise bis 25 Prozent weltweit."

"Dazu kommt der Trend in Richtung Digitalisierung und Konnektivität der Fahrzeuge", sagt Felix Mogge, Partner bei Roland Berger. "Das wird zu einem Wandel der Zuliefererindustrie von der Hardware in Richtung Software-Entwicklungen führen." Gleichzeitig müssen sich Automobilhersteller mit den stark anwachsenden Mobilitätsmodellen wie Car Sharing auseinandersetzen, denn nicht nur die Antriebstechnologie oder die Fahrzeugsoftware sind im Wandel, sondern das gesamte Spektrum rund um das Thema Mobilität. Nicht ohne Grund verkündete erst kürzlich der erfolgreiche Geschäftsmann und Visionär Peter Diamandis folgendes Statement: "Ich bin davon überzeugt, dass meine jetzt sechs Jahre alten Kinder niemals selbst ein Auto fahren werden."

Marcel Sommer / mid

Fotocredits: BMW
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(dpa)