Losheim/München – Bücher, Musik, Kleidung, ja selbst Lebensmittel kauft der moderne Mensch mittlerweile online. Nur für ihren Wagen gehen die allermeisten noch zum Autohändler. Bislang zumindest.
Doch auch das ändert sich zusehends: Nachdem der Gebrauchtwagenhandel im Internet längst fest etabliert ist, gibt es nun auch immer mehr Neuwagen im Netz. Allerdings nur über Umwege. Denn während die Markenhändler und vor allem die Hersteller noch am virtuellen Vertrieb arbeiten und sich von neuen Marken wie Tesla, Lynk & Co oder Polestar aus der Reserve locken lassen, haben sogenannte Online-Broker und Neuwagenbörsen die Lücke gefüllt und die Arbeit längst aufgenommen.
Plattformen wie autohaus24.de, Carneoo.de oder Neuwagen24.de führen viele Hundert Fahrzeuge aller Marken. Sie versprechen gegenüber dem klassischen Handel hohe Rabatte und haben deshalb gut zu tun: Bereits 16 Prozent aller privaten Neuwagenkäufe wurden im letzten Jahr über solche Portale abgewickelt, hat die Deutsche Automobiltreuhand für ihren DAT-Report 2017 ermittelt.
«Das Geschäft funktioniert wie das eines Maklers», sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenvereinigung KÜS. «Sie treten als Vermittler zwischen Händler und Kunden auf und bringen so die Kaufinteressenten zusammen.» Dass sie dabei mit Preisen oft weit unter den offiziellen Listen werben, liegt zum einen an ihrem großen Umschlag und den entsprechend günstigen Konditionen. Und zum anderen daran, dass sie verglichen mit einem konventionellen Händler deutlich weniger in Personal oder Immobilien investieren müssen.
Zwar gibt es auch bei herkömmlichen Händlern immer höhere Rabatte zur Verkaufsförderung. Nicht umsonst hat der von der Universität Duisburg-Essen ermittelte Rabatt-Index, der im Jahr 2010 bei 100 Punkten gestartet wurde, im September 2017 den bisherigen Höchstwert von 152 Punkten erreicht. Doch werden Neuwagen im Netz offenbar noch billiger gehandelt. So hat der ADAC bei einem Test von zehn großen Portalen im Frühjahr 2017 einen durchschnittlichen Preisvorteil von 18 Prozent gegenüber den offiziellen Listen ermittelt. Das sind im Schnitt rund fünf Prozentpunkte mehr als beim Händler.
Den Kunden locken diese Vermittler aber nicht nur mit niedrigen Preisen, sondern auch mit einem komfortablen Kauf. Denn man müsse weder verschiedene Markenhändler besuchen, noch lange über Preise feilschen oder sich an Öffnungszeiten orientieren, so ihre Argumentation. Stattdessen stellt man sich auf der Website mit einem mehr oder minder übersichtlichen Konfigurator sein Wunschmodell einer bevorzugten Marke individuell zusammen und bekommt daraufhin ein entsprechendes Angebot. Das kommt dann in der Regel aber vom Händler, beschreibt der ADAC die Abwicklung.
Dem erhöhten Komfort stehen allerdings auch Nachteile gegenüber: Man kann das Auto nicht besichtigen und erst recht nicht Probe fahren. Die Möglichkeiten für Nachfragen und Beratungen sind zumindest stark eingeschränkt, sagt Marmit. «Und genau wie beim realen Händler muss man auch in der virtuellen Welt bei gefragten Modellen bisweilen lange Lieferfristen abwarten, selbst wenn der Online-Handel zumindest regionale Engpässe ausgleichen kann.»
Der ADAC rät außerdem, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu prüfen, ob sich darin Unklarheiten oder versteckte Kosten finden. Und er gibt bei der Vermittlungsgebühr schon mal Entwarnung: «Kommt kein Kaufvertrag zustande, muss auch keine Vermittlungsleistung gezahlt werden – anderslautende Forderungen der Onlineplattformen sind meist unzulässig», so eine Sprecherin.
Für Sachmängel muss dabei der Händler im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung geradestehen, nicht der Vermittler. Ist der Händler nicht vor Ort, kann das Reklamationen bei ihm erschweren. Ansprüche aus der Herstellergarantie lassen sich laut der ADAC-Sprecherin dagegen europaweit bei jedem Vertragshändler geltend machen. «Das ist unabhängig davon, ob der Wagen online oder beim Händler gekauft wurde.»
Die Experten kritisieren bei einigen Börsen neben unübersichtlicher und komplizierter Konfiguratoren auch mangelnde Transparenz im Kaufprozess und empfehlen deshalb das gründliche Studium des Kleingedruckten. Doch ohne doppelten Boden ist der Neuwagenkauf im Netz nicht, so die ADAC-Sprecherin: «Beim Online-Kauf steht dem Käufer ein zweiwöchiges Widerrufsrecht zu, auf das im Vertrag hingewiesen werden muss. Es gilt auch dann, wenn die entsprechende Klausel im Vertrag fehlt.»
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(dpa/tmn)